Hanni begegnete ich während meines Exkursionstages zum Thema innerdeutsche Grenze im Harz. Die Gymnasiastin ist fünfzehn Jahre alt und damit die bislang jüngste Glücksinterviewte. Sie fiel mir auf, weil sie ausgesprochen wissbegierig und energiegeladen wirkte. Auf mehreren Fotos, die ich extra noch einmal ansah, steht sie, während ihre Mitschüler alle sitzen. Das Gespräch mit ihr empfand ich als bewegend. Mir schien, dass sie etwas aussprach, zu dem sie sich gedanklich lange durchgerungen hatte. Hanni war es wichtig zu betonen, dass die von ihr angedeuteten Schwierigkeiten in der Vergangenheit nichts mit ihrem Elternhaus zu tun haben.
Es war mir eine Freude, Hanni zu treffen! Ich wäre gespannt zu erfahren, was die Zukunft ihr bringt.
Jan Michael Horstmann ist der Dirigent der Mitteldeutschen Kammerphilharmonie. Ich traf ihn unvorbereitet, in meiner verschwitzten Wandererkluft, bei einem Konzert im Rathaussaal der Stadt Egeln. Die Karte hatte ich von der Leiterin der Stadtbibliothek geschenkt bekommen. „Rule Britannia“ hieß der Abend. Es wurden ausschließlich Werke englischer Komponisten gespielt. Ich geriet in diese Musik direkt aus der Einsamkeit der langen, schnurgeraden Wege Sachsen-Anhalts und war den Tränen nahe. Herr Horstmann ist nicht nur ein leidenschaftlicher, mitreißender Dirigent. Er ist auch ein wortgewaltiger Kommentator und Erklärer der gespielten Stücke. Eine solche Doppelbegabung, ein solches Konzept hatte ich noch nie erlebt. Während des Interviews wurde Herr Horstmanns Neugier am Gegenüber deutlich. Meiner Meinung nach ein wahrhaft königlicher Charakterzug.
Ute Lüdicke fiel mir an einem Sonntagmorgen auf, als sie in einer kleinen Parkanlage der Stadt Gommern eine „Bücherzelle“ aufräumte. Sie stand mit dem Rücken zu mir und sortierte den Bestand. Ich schlenderte näher und hielt dann für sie die Tür fest, damit sie ihr nicht immer wieder in den Rücken fiel. Für das Interview, zu dem diese offene, freundliche Frau sich sofort bereit erklärte, blieben uns nur wenige Minuten. Ich habe vergessen, welchen Termin sie an einem Sonntag um 10 Uhr wahrnehmen musste. Aber die Tatsache an sich spricht Bände. Man kann sich engagieren, kann auch unter Zeitdruck stehen, ohne hektisch und abweisend zu sein. Gern hätte ich mich länger mit dieser echten „Straßenbekanntschaft“ unterhalten, aber sie musste weiter. Und ich eigentlich auch.
Bei Marion Borchardt erkundigte ich mich nach einem kräftezehrenden Wandertag, ob der Gasthof „Zur Erholung“ in Werbig, vor dem sie gerade die Blumen goss, auch Zimmer vermieten würde. „Wir haben seit Ende letzten Jahres zu. Und wir machen auch nicht mehr auf“, antwortete sie lächelnd. Ihr Lächeln möchte ich als traurig und fröhlich zugleich bezeichnen. Die vierzigjährige Gastronomin ist in der von ihrer Familie betriebenen Gaststätte aufgewachsen. Ein solches Haus schließen zu müssen, ist eine ungeheure Zäsur. Aber den Kopf in den Sand zu stecken, ist nicht Marion Borchardts Art. Wer sie nur eine Minute reden hört, dürfte keinen Zweifel mehr daran haben, dass diese Frau mit wohl jeder Lebensniederlage fertig wird. Welch eine Gabe ist es, dachte ich nach unserem Interview, so voller Selbstvertrauen nach vorn sehen zu können.
O-Ton Marion Borchardt: „Ich wollte Menschen immer glücklich machen. Früher im Restaurant und jetzt eben in der Pflege.“