In drei ostdeutschen Bundesländern stehen Wahlen an, die vieles verändern könnten. Die Gespräche über dieses Thema, die ich auf meiner Wanderung führe, verlaufen sehr unterschiedlich.
Hinter Kulmbach in der Oberpfalz unterhielt ich mich mit einer Hundebesitzerin. Etwa Mitte vierzig, blondierte Haare mit violetten Strähnchen. Wie sich herausstellte, stammt sie ursprünglich aus Guben in Brandenburg. Nach sympathischem Austausch über ihren lebhaften Riesenterrier Elvis fragte ich sie, ob sie eigentlich noch oft in die alte Heimat reisen würde. Ob sie sich über den dort anstehenden Umbruch Gedanken machen würde.
„Nö, fahre ich nicht mehr hin. Ist mir auch egal, was da passiert. Es wird sich nichts ändern. Die oben machen was sie wollen. Ist hier dasselbe.“
Gegen diese Abkehr steht die Haltung der ehemaligen SPD-Landtagsabgeordneten Johanna Werner-Muggendorfer. Die 74-Jährige kommt aus der regionalpolitischen Praxis, hätte deshalb bestimmt auch allen Grund, desillusioniert zu sein. Die hellwache Rentnerin glaubt, dass „die Menschen im Osten vergessen haben“. Sie hätten vergessen, dass es wieder um die Freiheit ginge. Ein 1989 von ihnen selbst errungenes hohes Gut.
Für den aus München stammenden Gärtner und Musikantensohn Wolfram ist die Situation nicht weiter dramatisch. Im Gegenteil, die Ostdeutschen hätten einen Vorsprung an Erfahrungen. Von ihrem Wissen um die Wirkungsmacht von Straßenprotesten könnte der Westen lernen. Man müsste sich wegen dieser demokratischen Prozesse keine Sorgen machen.
Rigo stammt aus Thüringen und arbeitet in der Produktionsleitung eines großen deutschen Konzerns in Sachsen. Er sagt, er würde mittendrin stecken und die hitzigen Diskussionen jeden Tag erleben. Die ausgeprägte Protesthaltung vieler seiner Kollegen hätten zweifellos faktische, aber auch einige psychologische Ursachen. Wer auf die Straße ginge, wolle Selbstbewusstsein demonstrieren, das er oft gar nicht hätte. In dieser neuen Bürgerbewegung gäbe es viel Mitläufertum.
Da wir ein langes und sehr vielschichtiges Interview geführt haben, sind hier daraus drei verschiedene Teile ausgewählt:
1. Rigo über Freiheit – als direkte Antwort auf Johanna Werner-Muggendorfer
2. Rigo über Enttäuschungen, Löhne und Gewerkschaften
3. Antwort auf meine Frage: „Hast du Angst vor dem, was kommt?“
Zurück zu meiner Gesprächspartnerin mit dem Riesenterrier bei Kulmbach. Ihr sei der ganze „Politzirkus“ herzlich egal, gibt sie zu, so lange etwas nicht betroffen sei, was sie mit „meins“ bezeichnet. Und wenn wirklich alle Stricke reißen sollten, erklärt sie mir zum Abschied, würden sie und ihr Mann nach Bulgarien verschwinden. An der wunderschönen Schwarzmeerküste bei Varna hätten sie sich letztes Jahr ein Haus gekauft.
29. August 2024