Im Inneren des Landes
Dirk Brauns erzählt in einem gnadenlosen Präsens, das keine Ausflucht zulässt [...] Die Toten von einst sind aber immer noch da, auch wenn sie hartnäckig beschwiegen werden. Von dieser Gefangenschaft, die unausweichlich in die finale Katastrophe mündet, erzählt Dirk Brauns ohne Besserwisserei und ohne moralischen Zeigefinger. Er zeigt die Ausweglosigkeit deshalb so eindringlich, weil er sie teilt und seinen Figuren auch da, wo sie ihm widerstreben, bis zum Ende nahe bleibt. Er vertraut seinem Stoff und seiner erzählerischen Kraft. Das ist eine seltene, große Stärke.
Süddeutsche Zeitung
Wie in einer griechischen Tragödie entwickelt Brauns eine authentische, vielschichtige Geschichte um Schuld und Sühne, bei der er sich auf wohltuende Weise als Erzähler zurücknimmt, um dem Leser die Interpretationshoheit über die Erzählungen der Protagonisten zu überlassen. Sprachlich überzeugend und spannend bis zur letzten Seite zieht einen der Roman in den Bann.
literaturkritik.de
Ein beindruckendes Buch! Spannend, gut aufgebaut und vor allem: ein Reichtum an Einfällen und Episoden. Mein Eindruck: ein verschwenderisch volles Buch, kenntnisreich, erfahrungssatt!
Jörg Magenau
Dirk Brauns berührt in seinem Roman lauter wunde Punkte. Allein der Handlungsort Eggesin hat bis heute für viele im Osten einen unguten Klang. Hier lernten Abertausende junge Männer aus der DDR mehr als nur Gehorsam, Tempo und Ordnung, sie hatten sich körperlich zu verausgaben und politischen Lektionen zu unterziehen. […] Dirk Brauns hat seinen ersten Roman äußerst raffiniert konstruiert. Er setzt ein wie ein Krimi, mit einem Schuss. Um zu erfahren, wen aber der Schuss traf, muss man schon bis zum Ende lesen. Das lohnt sich.
Berliner Zeitung
Der Roman spielt in unmittelbarer Gegenwart, allerdings in einer Gegenwart, die von Erinnerungen durchseucht ist und die eben nicht nur an wirtschaftlicher Perspektivlosigkeit leidet, sondern vielleicht mehr noch daran, dass die Geschichte nicht abzuschließen ist. Es ist nur schwer zu ertragen, dass sich trotzdem eine Normalität eingestellt hat, die darin besteht, dass das Leben einfach weitergeht.
Deutschlandradio Kultur
Sie sind immer noch lebendig: die Gespenster der Vergangenheit. Erinnerungen an die demütigenden und angstvollen Zeiten, als die jungen Männer Soldaten waren und bei der NVA Willkür ausgesetzt. Es ist genau dieses Gefühl, welches Brauns literarisch beschreibt. Auch der ehemalige Rekrut Stefan im Roman kommt nicht los von seiner Armeezeit. Eigentlich hat er es geschafft, ist Controller für Autohäuser, hat Familie und vegetiert doch dahin wie eine Schnecke, "die ihr Vorleben hinter sich herzieht wie eine Schleimspur". Ex-Hauptmann Ingo ist Personalvorstand bei der Bahn, kann wieder herumkommandieren und hat Macht. Brauns erzählt aus wechselnder Perspektive, mal aus der von Ingo, dann wieder aus Stefans… Die Kasernen in Eggesin werden langsam von der Natur überwuchert. Was bleibt, sind die Geschichten von Tausenden Männern, die hier Lebenszeit verbracht haben und von ihren Erinnerungen nicht losgelassen werden. Davon erzählt Dirk Brauns in seinem Roman - temporeich, raffiniert und spannend.
NDR-Fernsehen
Es ist eine Geschichte, die sich wie ein Krimi liest, geschrieben in einer Sprache, deren Sätze mitunter so elegant in einanderfließen, dass es einem beim Lesen schier den Atem nimmt. […] Die Unfähigkeit, sich der Vergangenheit zu stellen, ist es, die die Situation letztlich für beide Männer eskalieren lässt. Ein hochspannendes, mitunter fast poetisches Buch von einem Autor, auf dessen kommende Arbeit man gespannt sein darf.
Märkische Oderzeitung
Ich habe diesen Roman an 3 Tagen im Freibad verschlungen und trage ihn nun ziemlich mit mir rum. Gut, dass Dirk Brauns dieses Thema so ernst genommen hat und dazu noch klasse schreibt. Es wäre toll, wenn das auch die Medien erkennen und so vielleicht eine spannende Diskussion in Gang kommt.
Katja Kemnitz, Hugendubel
Humorvoll präsentierte auch Dirk Brauns seinen Roman "Im Inneren des Landes". Sein Wenderoman verbindet das Schicksal eines Schleifers bei der NVA und eines einstigen Rekruten, die er 20 Jahre nach der Wiedervereinigung noch einmal aufeinandertreffen lässt. Ein verschmitztes Lächeln umspielte Brauns Gesicht, als er darüber Auskunft gab, warum er seinen NVA-Ausbilder im Verlauf des Buches ausgerechnet zum Personalchef der Deutschen Bahn aufsteigen ließ.
buchjournal.de
Dirk Brauns wählt einen sehr direkten Zugriff auf ein unbewältigtes Thema und stellt die Frage nach Schuld und Sühne. […] „Im Inneren des Landes“ ist ein Antikriegsroman im heutigen Gewand. Aus der scheinbar sicheren Distanz heraus führt Dirk Brauns vor Augen, wie brutal in der DDR der Kalte Krieg geführt wurde, wie tief die seelischen Verletzungen liegen und wie wenig Ausgleich und Gerechtigkeit folgten.
Märkische Allgemeine
Ein schönes und wichtiges Buch. […] Es handelt von zwei Personen, die sich in der Volksarmee der DDR begegnet sind, auf dem mecklenburgischen Militärstandort Eggesin. Es ist ein dramatischer Pas de deux mit einem Ausgang, der nicht alles auflöst. […] Vor dem Publikum trat - unangekündigt - der Schauspieler Joachim Król auf und las Passagen des Ingo Kern, des ehemaligen Offiziers der NVA, während der Autor selbst dessen damaligen Rekruten Stefan Brenner las. Das ergab eine beinahe szenische Lesung dieser hochdramatischen Stundenfolge vor dem Schuss. […] Sein Roman ist beklemmend authentisch - gelesen an diesem Abend mit einer atemberaubenden Genauigkeit.
Saarbrücker Zeitung
Dirk Brauns' vielschichtiger Roman über Schuld, Sühne, Macht und Ohnmacht ist von erzählerischer Wucht und sprachlicher Kompromisslosigkeit, die mitreißt.
Lausitzer Rundschau
Aus ihren völlig verschiedenen Sichtweisen werden die entscheidenden Ereignisse Stück für Stück aufgerollt und Begebenheiten am Rande geben dem Ganzen eine zusätzliche Glaubwürdigkeit. Dieses todernste Spiel von Schuld und Sühne fesselt dank seiner dichten Atmosphäre und der souveränen Sprachkraft bis zur letzten Seite und beleuchtet eine Vergangenheit, die vielen noch recht real in Erinnerung sein dürfte. Fazit: ein rundum gelungener deutsch-deutscher Roman.
buchrezensionen-online.de
Am 3. Juni 1957, zwei Jahre nach Gründung der Bundeswehr, sind fünfzehn von vierundzwanzig Grundwehrdienstleistenden des Luftjägerbataillons 19 in der Iller ertrunken. Ein Ausbilder hatte ihnen befohlen, den acht Grad kalten, an dieser Stelle zwar nur 1,30 m tiefen, aber reißenden Fluss mit voller Ausrüstung zu durchqueren. Diese Tragödie hatte Konsequenzen. Die bundesdeutsche Öffentlichkeit war alarmiert. Die Bundeswehr reagierte: Innere Führung, Wehrbeauftragter etc. Die Soldaten waren bald nicht mehr völlig schutzlos der Willkür und den Schikanen ihrer Vorgesetzten ausgesetzt.
Anders in der DDR. Die Nationale Volksarmee, NVA, passte sich gut in die totalitären Strukturen des Regimes ein und hielt auch in dieser Hinsicht treu an den Traditionen der deutschen Wehrmacht fest. Jürgen Fuchs, Jens Sparschuh und Uwe Tellkamp, zum Beispiel, haben davon erzählt. Der erste (mir bekannte) Roman, der sich ausführlich mit dieser Problematik befasst, wurde in diesem Herbst von dem 1968 in Ost-Berlin geborenen Journalisten Dirk Brauns vorgelegt. […]
Klar wird jedoch, unter welchen Bedingungen die Soldaten in der Nationalen Volksarmee der DDR für ihre Aufgabe, den real existierenden Sozialismus und seine Grenzen zu verteidigen, zugerichtet worden sind. Es war kein Zuckerschlecken. In seiner Danksagung berichtet Brauns von einer Diskussion über diesen Stoff. Ein Unternehmer verwarf das Projekt als "nicht zeitgemäß". Seine Frau konterte: "Und warum weigerst du dich, seit dreißig Jahren dort Urlaub zu machen? ( ... ) Weil du dort bei der Armee warst, mein Lieber, und diesen Ort nie wiedersehen willst." Vielleicht hat uns, im Westen, die Tragödie von Illertissen vor solchen traumatischen Erfahrungen bewahrt.
Deutschlandfunk
Letztlich wird aus der Handlung die Abrechnungsgeschichte eines Opfers gegen die alten DDR-Armee- und Stasi-Seilschaften, die sich längst in Unternehmen und Anwaltskanzleien festgesetzt haben. Auch Jahre nach der Wiedervereinigung wird hier Unfähigkeit, sich der Vergangenheit zu stellen, sich dieser Vergangenheit stellen zu wollen, diagnostiziert….Bei Brauns gibt es kein poetisches Erinnern, sondern einen glasklaren Racheakt…Geschrieben in einem stringenten Krimi-Ton, voller eingeschobener kleiner, lebendiger Anekdoten, kenntnisreich und unerbittlich, macht das Buch nach 22 Jahren deutscher Einheit sehr nachdenklich.
Kulturradio rbb
Dirk Brauns findet den richtigen Ton für die Weite der vorpommerschen Landschaft, für die nachhallende Isolation und beklemmende Hilflosigkeit von damals, für Schuld- und Rachegefühle, Verdrängung und ungeliebte Erinnerungen.
Wiener Zeitung
Dieses todernste Spiel von Schuld und Sühne fesselt dank seiner dichten Atmosphäre und der souveränen Sprachkraft bis zur letzten Seite und beleuchtet eine Vergangenheit, die vielen noch recht real in Erinnerung sein dürfte.
Fazit: Ein rundum gelungener deutsch-deutscher Roman.
Wilhelmshavener Zeitung
Ich würde beide empfehlen. Beide sind interessante Neuerscheinungen. Es ist ihnen nicht die ihnen zustehende und gebührende Aufmerksamkeit zuteil geworden. Deswegen möchte ich auf beide noch einmal hinweisen…
Es gibt zu viele Bücher. Für manche wird zuviel und ungerechterweise Reklame gemacht. Manche Bücher sind die echten Schreihälse. Und die etwas ruhigeren Bücher, die vielleicht nicht so laut auf sich aufmerksam machen, gehen dann leicht unter. Und das soll jedenfalls von mir, als Kritikerin her gesehen, nicht so bleiben.
(Deutschlandradio-Interview am 27.12.2012 über „Im Inneren des Landes“ von Dirk Brauns und „Bugatti taucht auf“ von Dea Loher)
Sigrid Löffler
Eggesin ist ein rotes Tuch, gewiss. Dass es aber um viel mehr als dieses kleine Städtchen geht, zeigt ein zufälliger Besuch Kerns in einer kleinen Andachtskapelle. Kein Zufall ist es aber, dass er dort ausgerechnet die Seite mit Jesu Klageruf über die galiläischen Städte herausreißt - und liest: „Da fing er an die Städte zu schelten … denn sie hatten nicht Buße getan.“ Es gab viel zu viele Eggesins in der DDR, die Verletzungen vieler ehemaliger Soldaten sind bis heute nicht verheilt und es bleibt noch viel Buße zu tun.
Mecklenburgische & Pommersche Kirchenzeitung
... eine feinsinnige späte Nachwendebeschreibung eines Zwei-Männer-Dilemmas, aus dem es kein Entkommen gibt.
Charly Hübner in Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung
Die Stärke dieses Debüt-Romans liegt darin, dass nicht nur Fragen von Schuld, Verdrängung und Sühne diskutiert werden, sondern die gemeinsame Vergangenheit Brenners und Kerns höchst lebendig mit deren gegenwärtigem Alltag verzahnt ist, mit Familiengeschichten um Scheidung, Liebe, Krankheit und Karriere. So kann dieser schmale Roman zugleich als DDR-, Wende- und Nachwenderoman gelesen werden. Mit Elementen, die in der südamerikanischen Literatur als magischer Realismus bezeichnet wurden. Natürlich taucht auch der trostlose NVA-Alltag immer wieder in Erinnerungsfetzen und Episoden auf, klingen Legenden an wie die vom Triebblocker Hängolin im Tee, werden entwürdigende Reinigungsrituale, der Schock beim Betreten der nächtlichen Kaserne nach einem Urlaub oder das Gefühl des Ausgeliefertseins, "das innere Angefasstwerden' heraufbeschworen. Im Grunde aber erzählt Dirk Brauns über die konkrete Erfahrung Armee hinaus, von Urmenschlichem - von unserem Umgang mit den Schatten der eigenen Vergangenheit.
Schweriner Volkszeitung
Der Titel sagt es eigentlich schon, „Im Inneren des Landes“, da geht es um Deutschland, und Dirk Brauns nimmt wie ein geübter Arzt Spiegelungen vor, nüchtern macht er sich an die Geschwüre heran, die einer Behandlung bedürfen.
Vorarlberger Nachrichten
Diese deutsche Tragödie vollzieht sich mit einer großen, erschütternden Wucht. Das Vergangene ist nicht vergangen, solange die schrecklichen Deformationen, die im System der sogenannten Volksarmee, einem brutal funktionierenden Mikrokosmos der DDR, für legal und legitim gehalten wurden, nicht gesühnt worden sind. Wie ein Albdruck lasten auf Brenner noch immer die alten Ängste, er hasst sie ebenso, wie er Kern hasst, der feist und selbstgerecht in seinem Wohlstand lebt - ein Held auch der neuen Zeit. Und gut vernetzt mit den alten Genossen.
"Im Inneren des Landes" ist ein aufwühlendes, wichtiges Stuck zur Zeitgeschichte, unter die es keinen Schlussstrich gibt - hervorragend dramatisiert und ebenso gesprochen, zumal in den Hauptrollen von Martin Brambach (Ingo Kern) und Axel Wandtke (Stefan Brenner), aber auch in den kleineren Parts von Steffi Kuhnert (Kerns Frau), Klaus Manchen und Christian Gutowski.
Deutsche Akademie der Darstellenden Künste über das "Hörspiel des Monats Oktober 2013"
Die Sprache ist sehr klar und genau und hat trotzdem wunderbare Bilder. Bis zum Schluß.
„Gudrun, meine Hüterin des Kinderkontos“, sagt der sterbende Stefan Brenner, weil sie ihn am Anfang fragte, ob er das erledigt hat, in der flapsigen Art, wie Eheleute manchmal miteinander reden. Das ist von einer tiefen Dramatik einer Alltagssituation, die im Moment des Sterbens eine ganz andere Dimension erfährt. Das schafft dieses Hörspiel immer: Kleinigkeiten des Alltags zu vergrößern.
Bettina Reitz, Fernsehdirektorin des Bayerischen Rundfunks, Jurymitglied der ARD-Hörspieltage 2014 über das Hörspiel „Im Inneren des Landes“
Mir gefielen die Frauenfiguren ganz besonders. In ihrer Klarkeit und auch Traurigkeit. Das fand ich sehr berührend.
Martina Gedeck, Schauspielerin, Jurymitglied der ARD-Hörspieltage 2014 über das Hörspiel „Im Inneren des Landes“
Dirk Brauns erläuterte, warum ihn eindimensionale literarische Figuren nicht interessierten: "Ich will etwas Komplexes, etwas, das ist wie das Leben." So sei in seinem ersten Roman "Im Inneren des Landes", der im Milieu der Nationalen Volksarmee angesiedelt ist, der Gute vom Bösewicht und das Opfer vom Täter nicht zu unterscheiden.
FAZ
Vor der Vergangenheit kann man nicht davonlaufen. Dirk Brauns weiß das. Er ist weit gegangen. 1993 gewann er beim Bachmann-Preis das 3sat-Stipendium und erklärte den Juroren, dass er weder Kafka noch Döblin oder Dostojewski gelesen habe. Abgeschreckt vom Rummel in Klagenfurt zog er sich aus dem Literaturbetrieb erst mal zurück. Wanderte durch die Welt. Brachte 1997 das Buch „Berlin – München. Zu Fuß“ heraus. Und arbeitete als Korrespondent in Peking und Warschau. Mit „Im Inneren des Landes“ erscheint jetzt sein spätes Romandebüt.
tip Berlin
Jenseits von Nostalgie oder Ironie beschreibt der Romane, wie menschenverachtend und brutal in der DDR mit Rekruten umgegangen wurde […] Das Buch ist spannend geschrieben. Erzählt wird abwechselnd aus Brenners und Kerns Perspektive deren persönliche und ein Stück deutscher Geschichte.
#lesen.bayern
