Café Auschwitz

…Die Tatsache, dass ein eindrucksvoll geschriebenes deutsches Buch zuerst in polnischer Sprache erscheint, ist beispiellos.

Die rasante, spannungsgeladene Handlung, die originelle Verarbeitung des Themas, die Modernität und Authentizität der Form – das sind sicherlich die Stärken des Romans, die bewirken, dass er für jedermann ein außerordentlich interessantes Buch ist. Ein besonderer Reiz für den polnischen Leser dürfte sein, dass er die eigene Wirklichkeit (auch die, die nichts mit dem Krieg zu tun hat) mit den Augen eines Deutschen betrachtet, eine durch die Nachbarschaft der deutschen und polnischen Kultur vermeintlich nahe liegende Außenperspektive, die aber oft Lichtjahre entfernt zu sein scheint …

Die Handlung von Dirk Brauns' (geb. 1968) Roman spielt im gegenwärtigen Polen und Deutschland. Ein junger in der DDR geborener Deutsch- und Geschichtslehrer der Deutschen Schule in Warschau (die porte-parole des Autors) lernt zufällig den ehemaligen Auschwitzhäftling Janusz kennen. Janusz lässt ihn an seinen Erinnerungen teilhaben, nach und nach gewinnt er dessen Vertrauen und wird schließlich zum Vollstrecker von Janusz’ überraschendem letztem Willen. Ihre Begegnungen in einem Warschauer Café werden zum Ausgangspunkt für eine Reihe von Ereignissen, die voller überraschender und plötzlicher Wendungen sind. Zusammen mit dem Protagonisten fahren wir ins ehemalige Konzentrationslager Auschwitz, wir begegnen dort jungen Deutschen, die im Rahmen einer Resozialisierungsmaßnahme auf dem Gelände des heutigen Museums Auschwitz arbeiten, wir begeben uns auf eine abenteuerliche Suche nach ehemaligen SS-Männern, die einen ruhigen Lebensabend als wohlhabende Rentner verbringen, wir unterhalten uns mit Deutschen, die sich mit der nationalsozialistischen Vergangenheit auseinandersetzen. Die fesselnde Handlung wird verknüpft mit zahlreichen Reflexionen über die Möglichkeit, Anführer und Täter des Holocausts und anderer nationalsozialistischer Verbrechen heute noch gerichtlich zu belangen. Brauns gelingt das Kunststück im Hier und Heute Henker und Opfer, ihre Persönlichkeiten, Ansichten, Schicksale und Gegenwart, vielschichtig und authentisch darzustellen. Der Roman ist ein hervorragender Versuch, dieses für Polen wie Deutschland wichtige Thema aus dem Blickwinkel alltäglicher Ereignisse zu betrachten. Ohne Pathos und „Versöhnungskitsch“ widersteht Brauns, dank seiner Ehrlichkeit, Selbstironie sowie dem Bewusstsein der eigenen Beschränktheit (Stichwort „Gnade der späten Geburt“), der Versuchung, eindeutige Urteile zu fällen beziehungsweise Schlüsse zu ziehen. Die lebenden Opfer von damals erstarren nicht in Posen voller Tragik, Brauns dringt vielmehr auf sehr persönliche und mitunter schockierende Weise in die Privatsphäre jener ein, die Auschwitz überlebt haben … immer jedoch mit dem gehörigen Respekt, er tut dies gewissermaßen auf ihren Wunsch hin.

Es ist auch ein Buch über das heutige Polen, das so gezeigt wird, dass man bereits nach der ersten Seite sich nicht mehr von der Lektüre losreißen kann und die nächste Seite verschlingt und dann die nächste und die nächste …

Die polnische Ausgabe des Buches wurde von zwei Stiftungen unterstützt: der Konrad-Adenauer-Stiftung in Polen und der Stiftung für deutsch-polnische Zusammenarbeit. Sie sind der Ansicht, der interessierte polnische Leser habe ein Recht darauf, zu erfahren, dass es noch deutsche Autoren gibt, die nicht davor zurückschrecken, für ihre Landsleute unbequeme Themen aufzugreifen, und in der Lage sind, diese ehrlich, verantwortungsvoll aber auch spannend darzustellen.

Das Vorwort schrieb Zofia Posmysz-Piasecka, ein ehemaliger Auschwitzhäftling, Autorin des legendären Romans „Die Passagierin“ und unermüdliche Geschichtslehrerin in der Internationalen Begegnungsstätte in Auschwitz. Ihre Meinung zum Buch hat Gewicht, da sie das Konzentrationslager Auschwitz selbst überlebte und darüber schrieb.

Auszug aus der Verlagsbeschreibung

akcent-Verlag Warschau, Mai 2013