Café Auschwitz

Ein ausgezeichnetes Buch. Thema und Grundachse der Handlung ist die Freundschaft zwischen einem jungen Deutschen und Janusz, einem ehemaligen Auschwitzhäftling. Die Geschichte, die ohne Beschönigungen in einer geradezu reportagehaften Poetik erzählt wird, zeichnet sich durch ihre Authentizität aus, regt zum Nachdenken an, möglicherweise sogar zur Umwertung der stereotypen Sichtweisen. Die Konstruktion des Buches hat zur Folge, dass sich diese Quasi-Reportage wie ein Action/Abenteuer-Roman liest: die einzelnen Handlungsstränge und Realien sind ineinander verflochten, entsprechend verändert sich die Poetik: Wir lernen das Privatleben des Erzählers kennen, eines Lehrers an der Deutschen Schule in Warschau und das Durcheinander in dessen Leben, nachdem er Janusz kennen lernt. Unerwartete Wendungen in der Handlung erfolgen: die Arbeit der deutschen Freiwilligen im Museum Auschwitz-Birkenau, der spätere Ausflug mit Janusz nach Auschwitz, die Teilnahme an einem Treffen ehemaliger Häftlinge und die Begegnungen mit deutschen „Touristen” werden unkonventionell, aber lebensecht beschrieben, schließlich die Reise nach Deutschland auf der Suche nach einem ehemaligen SS-Mann, an den sich Janusz aus seiner Zeit im Lager erinnert. Das Kapitel des Romans, in dem der Erzähler in die Rolle eines investigativen Journalisten schlüpft, ist eine faszinierende Reportage. Die Romanhandlung wird durch Dokumente ergänzt, die für sich schon außerordentlich interessant sind. Und schließlich die möglicherweise wesentlichste Stärke des Werkes : das Bild des Protagonisten Janusz mit all seinen Schwächen, Komplexen und posttraumatischem Stress, die psychologischen Porträts der Nebenfiguren, manchmal nur mit wenigen Sätzen gezeichnet, sowie die Eigenanalyse des Erzählers bewirken, dass diese suggestive Prosa etwas über die Conditio humana im Allgemeinen aussagt. Zum Schluss möchte ich anmerken, dass ich keine Literaturkritikerin bin, mich hier als Leserin und ehemaliger Häftling des Lagers Auschwitz-Birkenau äußere. Seit Jahren arbeite ich mit der Internationalen Jugendbegegnungsstätte in Auschwitz zusammen. Dorthin kommen junge Menschen aus ganz Europa, die das Thema Vernichtungslager aus der Literatur oder Filmen kennen und ihr Wissen vertiefen möchten. Im Museum Auschwitz-Birkenau studieren sie Dokumente, besuchen das Lager und treffen dann ehemalige Häftlinge, die wenigen übrig gebliebenen Zeugen der Geschichte. Mein Traum ist es, dass sie das Buch „Café Auschwitz” lesen. Vielleicht findet sich unter ihnen jemand, der wie Dirk Brauns dieses Thema aufgreifen und die Erinnerung an die Vernichtungslager an zukünftige Generationen als Warnzeichen weitergeben wird.
Zofia Posmysz, Schriftstellerin und Überlebende des Konzentrationslagers Auschwitz-Birkenau (Häftlings-Nummer: 7566) / Übersetzung aus dem Polnischen von Andreas Volk